Karl Marx*, Adam Smith* und John Maynard Keynes* stehen im Himmel wieder am Panoramafenster mit dem großartigen Rundblick über das All und schauen dem Treiben auf der Erde zu. Marx raucht dicke Kuba-Zigarre, Keynes begnügt sich mit einem dünnen Zigarillo, Smith saugt nervös an seiner Pfeife. Exquisiter französischer Kognak wird gereicht. Auf der Erde tut sich Unerhörtes.
Marx: Großartig dieser Ausblick auf unsere gute, alte Erde. Phantastisch. Superb. Es sind so viele...
Smith: Für meinen Geschmack zu viele, wenn Sie erlauben.
Marx: Vor vielen Jahren habe ich sie aufgerufen: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Kommunistisches Manifest, Sie erinnern sich, Kollegen. Gut 160 Jahre her, 1848. Und jetzt ist es soweit. Sie haben endlich begriffen. Endlich.
Smith: Das sind wohl eher Proleten als Proletarier. Heutzutage sagen sie Prolls zu denen. Ja, ja, Ihr Manifest zusammen mit diesem Engels hat mich immer schon amüsiert. Diktatur des Proletariats, dass ich nicht lache...
Marx: Ich bin stolz, so unendlich stolz. Wenn ich nur bei ihnen sein könnte. Ein Traum.
Smith: Die würden Sie zum Teufel jagen, Herr Kollege, das sind Kapitalistenkiller, Finanzplatzbesetzer, Jäger des verlorenen Schatzes, keine Marxisten. Die haben mit Ihrem staatskapitalistischen Schrott rein gar nichts am Hut. Die gehören ja eher noch zu mir. Übrigens: Das ist ein Sturm im Wasserglas, der ist rasch wieder vorbei.
Keynes: Wenn die Staatsführer überall auf der Welt auf mich gehört hätten, wäre es nicht so weit gekommen. In meinem Hauptwerk...
Marx: Hah, Keynes, fangen Sie schon wieder an mit Ihrer theoretischen Unproduktivität! Nehmen Sie einen ordentlichen Schluck und freuen Sie sich des Lebens!
Keynes: Leben ist gut. Wir sind hier im Himmel...
Smith: Wenn die da drunten so weitermachen, dann bringen sie noch das gesamte Finanzsystem zum Einsturz. Woher soll dann das Geld kommen für die Wirtschaft, für die Märkte? Das Blut des Lebens, der Wirtschaft, das den ewigen Kreislauf der Ökonomie antreibt. Denken Sie an die Systemrelevanz der internationalen Großbanken!
Keynes: Ich höre immer Leben, Leben. Und das im Himmel.
Marx: Systemrelevanz der Großbanken, da lache ich jetzt, Herr Kollege! Dieser Casino-Kapitalismus, dieses Monster, ist es doch, das alles ins Wanken gebracht hat. Profit, Profit, Gier, Gier, Milliarden, Boni, Derivate, Fonds, Leerkäufe - ich komme ja gar nicht mehr mit bei all dem dummen Zeugs, das in den kranken Köpfen dieser geldgeilen - Entschuldigung! - Finanz-Haie wütet und ihre Hirne auffrisst. So sieht Ihre Systemrelevanz aus, Smith. Ich habe doch schon vor 150 Jahren...
Smith: Ja, ja, immer die gleiche Leier!
Marx: ...gesagt, dass der Kapitalismus in seiner Gier die Menschheit und sich selbst zugrunde richtet.
Smith: Ohne freie Finanzmärkte geht nichts, rein gar nichts, und zwar Finanzmärkte ohne jede Einschränkung, unbegrenzt, das werden Sie auch noch lernen müssen, Herr Kollege. Und wenn es nochmals 150 Jahre dauert.
Marx: Milliarden, die es gar nicht gibt, ungedeckte Leerkäufe, Finanzpapiere, werden hin und her und sich gegenseitig zugeschoben. Das müssen Monsterhirne sein, die sich so etwas ausdenken.
Keynes: Wenn die Politik nur auf mich gehört hätte. In meinem Hauptwerk...
Marx: Dass meine Proletarier in allen Ländern vereinigt auf den Straßen sind, überall auf der Welt, in New York, Tokio, in meinem geliebten London, in Frankfurt, Berlin, Paris, Madrid... Occupy Wall Street, besetzt die Finanzplätze! Der Kapitalismus ist geschlagen. Mein Gott, dass ich das noch erleben darf!
Keynes: Leben, erleben, von was reden die überhaupt...
Smith: Der Kommunismus ist schon lange tot - und Sie und Ihre proletarische, um nicht zu sagen, proletenhafte Bewegung mit den unausgegorenen Ideen und Pamphleten erst recht, Marx. Erinnern Sie sich, was Norbert Blüm nach dem Fall der Mauer, 1990, ausgerufen hat, in Erfurt war's: Karl Marx ist tot - Jesus Christus lebt!
Marx: Ach was, der. Der ist mir immer schon um einige Nummern zu klein geraten. Apropos: Jesus Christus war auch kein Kapitalist.
Keynes: Wenn die Staatsführer nur auf mich gehört hätten... In meinem Hauptwerk...
Marx: Ihr Hauptwerk interessiert jetzt hier nicht, Keynes! Lasst uns feiern! Noch einen Kognak und eine Cohiba!
Smith: ...mit sozialistischen Grüßen vom Fidel Castro aus Kuba. Der schwächelt übrigens auch ganz ordentlich, Herr Kollege. Bald bleibt Ihnen nur noch dieser grässliche Typ aus Nordkorea als letzter Fan. Sogar die Chinesen haben Ihre Konzepte verworfen und heizen den Kapitalismus an, dass die Schlote rauchen.
Marx: Ach was, die Occupy-Demonstranten und die Leute von Attac mit Heiner Geißler zerlegen gerade den Kapitalismus in seine Einzelteile und entsorgen ihn auf dem Müllplatz der Geschichte. Das ist die Wahrheit. Mein Marxismus hat zwar spät, aber doch noch den Sieg errungen. Halleluja, da wird man ja gern wieder katholisch. Meine Ideologie ist so überzeugend, dass sogar die Katholischen schon einen Erzbischof nach mir benannt haben. Den Münchner.
Smith: Religion ist Opium für das Volk!, haben Sie ausgerufen. Das hören Sie nicht mehr so gerne.
Marx: Es weht der Hauch der Geschichte, da ist man generös.
Keynes: Wenn sie nur auf mich gehört hätten. Der Staat muss in seiner proximativ-internen Konstitution die aggressiv-eskalierende Ökonomie zivilisieren und normativ-faktisch paralysieren, dann ergibt sich eine intensiv-vulgäre Parallelität der parzellierten Interessen von divergierten Individuen und kumulierten Kollektiven, die optional reüssieren können, habe ich ihnen in meinem HauptwerkAllgemeine Theorie der Beschäftigung des Zinses und des Geldesganz präzise erklärt. Keiner hält sich dran. Alles Dummköpfe.
Smith: Das ist bestenfalls ein Etappensieg für Sie, Marx, mehr nicht. Darüber unterhalten wir uns noch. Ein andermal. Für heute habe ich genug gesehen.
Marx: Ich könnte noch stundenlang... Der Hauch der Geschichte...
Keynes (seufzend): Wenn ich doch auch einmal so kompromisslos, sein könnte wie die beiden, so einseitig, so fanatisch! Ich sitze mit meinem Lehrstoff irgendwie zwischen allen Stühlen...
Während Marx, Kognakglas in der hohlen Hand, mit qualmender Cohiba und leuchtenden Augen weiter dem Treiben auf der Erde zusieht, macht sich Keynes wieder über seine Schriften und Bücher. Smith verschwindet in seiner Suite. Er hat genug gesehen. Wie konnten seine freien Märkte, Finanzmärkte, nur so aus dem Ruder laufen, Staaten maßlos wirtschaften und sich heillos verschulden, dass die Menschen weltweit auf die Straße gehen? Er muss den Ursachen nachspüren...
Belauscht und aufgezeichnet von Bernhard Stuhlfelner
*Adam Smith, 1723 bis 1790, schottischer Ökonom und Philosoph, für freie Märkte, gegen Staatsdirigismus
*Karl Marx, 1818 bis 1883, deutscher Ökonom und Journalist, Namensgeber des Marxismus-Kommunismus
*John Maynard Keynes, 1883 bis 1946, englischer Ökonom, Namensgeber des Keynesianismus, für begrenzte staatliche Eingriffe und Lenkung der Wirtschaft.
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P.S. Ich bitte um Ergänzung, Verbesserung....es sollte ein Bericht zur Straubinger Zeitung, .............