Die Welt, 13.Mai 2005

Sonnenkraft im Zinkspeicher
Forschern gelingt die Umwandlung von Solarenergie in chemische Energie mit
hohem Wirkungsgrad

Von GERD PFITZENMAIER

Villigen/Rehovot - Im Zentrum der Halle wölbt sich ein Hohlspiegel mit achteinhalb Meter Durchmesser bis zur Decke. Seine blanken Scheiben fokussieren Sonnenstrahlen, die ein Heliostat aus dem Garten des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) durch die bewegliche und im Moment zurückgeschobene Hauswand in den Raum lenkt. Der geballte Strahl trifft einen Schmelztiegel, in dem die Kraft unseres Zentralsterns ein graues Pulver bei über 1200 Grad Celsius verdampft. So reduzieren Wissenschaftler im Schweizer Örtchen Villigen in ihrem Solarreaktor Zinkoxid und produzieren - mit der Sonne als Hitzespender - reines Zink.

Weil sie das Metall lagern und transportieren können, gelingt es ihnen so, die Energie der Sonne zu speichern. Das Verfahren nennen sie "Solzinc": Nach mehrjährigen Vorstudien tüfteln Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Israel, der Schweiz und Schweden seit 2001 gemeinsam daran, konzentrierte Sonnenenergie als Hochtemperatur-Prozeßwärme zur Produktion eines metallischen Brennstoffs zu verwenden.

Die Probeläufe versprechen Erfolg: Im Labormaßstab arbeitet Solzine bereits mit einem Wirkungsgrad von 20 Prozent. "Und wir erwarten, in industriellen Anlagen bis zu 60 Prozent der einfallenden Solarenergie nutzen zu können", sagt Christian Wieckert vom PSI, der das Projekt für die EU wissenschaftlich koordiniert.

Die im Zink schlummernde Sonnenkraft will er jederzeit und überall wieder chemisch entfalten - in Zink-Luft-Brennstoffzellen läßt sich damit Strom erzeugen. Eine andere Variante: Der "solare Brennstoff " Zink kann aus Wasser Wasserstoff abspalten. Der gilt vielen als Energiequelle der Zukunft. In beiden Fällen oxidiert das Metall im geschlossenen Materialkreislauf wieder zu Zinkoxid und kann mit Hilfe der Sonne erneut zu reinem Zink reduziert werden. Ein echtes Energiekarussell.

"Solare Brennstoffe können für eine umweltfreundliche Energieversorgung genutzt werden", sagt auch Professor Aldo Steinfeld vom Institut für Energietechnik der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und zugleich Leiter des Labors für Solartechnik am PSI, "und leisten damit einen Beitrag zur Lösung der Klimaproblematik." Und weil der gesamte Energieverbrauch der Menschen noch nicht einmal 0,01 Prozent der auf die Erde einfallenden Sonnenenergie ausmacht, könnte die solarthermische Produktion von Brennstoffen wie Zink und Wasserstoff ein vielversprechendes Vorgehen für eine nachhaltige Energieversorgung sein.

Zumal neueste Forschungen, die seine ETH-Kollegen sowie Forscher der amerikanischen University of Maryland vergangene Woche in "Science" vorstellten, seit gut einem Jahrzehnt eine vermehrte Sonneneinstrahlung auf unserem Planeten messen. Der Grund: Die Luft ist sauberer geworden'

Nicht alles jedoch, was im Kleinen funktioniert, muß auch im großen Maßstab klappen. Daher testen die Forscher um Christian Wieckert in diesem Sommer ihren Sonnenofen eine Nummer größer: Im israelischen Rehovot steht auf dem Gelände des Weizmann-Forschungsinstituts eine Pilotanlage, in der sie Technik und Material weiter verfeinern. Wieckert und seinen Kollegen arbeiteten im schweizerischen Aare-Tal mit etwa fünf Kilowatt konzentrierter Sonnenenergie. Das von der EU sowie der Schweiz mitfinanzierte, rund drei Millionen Euro teure Projekt im sonnenverwöhnten Israel schafft dagegen bereits 300 Kilowatt und einen Wirkungsgrad von 30 Prozent. "Die nächste Stufe wäre eine Demonstrationsanlage mit etwa fünf Megawatt", blickt der Forscher nach vorn.

Zunächst aber steht die Optimierung an. Im Labor nämlich wurden rund 40 Prozent der erzeugten Energie noch gar nicht genutzt. Die stecken im Kohlenmonoxyd, das als "Abgas" entweicht. Es entsteht, wenn für die solarthermische Reaktion Zinkoxid mit Kohlenstoff gemischt wird. Wiekkert:"In industriellen Anlagen würde man dies natürlich nutzen, dafür gibt es bereits vorhandene Technik. " Auch die Stromerzeugung in Zink-Luft-Brennstoffzellen liegt derzeit noch brach. Der Industriepartner des Solzinc-Projekts, der sich um die Fortentwicklung dieser Technik kümmerte, mußte 2004 Insolvenz anmelden. Jetzt hofft Wieckert, daß die Kooperation mit einem anderen Unternehmen bald weitergehen kann. Derzeit haben sich Zink-Luft-Brennstoffzellen vor allem für kleinere Leistungen wie etwa Hörgeräte etabliert. Ingenieure forschen für einen Einsatz dieser Technik in Computern oder Handys, Unterhaltungselektronik oder Elektroautos. Was die Forscher des Solzinc-Projekts auf der Basis ihrer Labor- und Pilottests ausrechnen, klingt jedoch schon recht vielversprechend. Wieckert ist sich sicher: "Wir werden den Strom auf jeden Fall günstiger herstellen können, als ihn Photovoltaik-Anlagen erzeugen."

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