DIE WELT, 23.Febr2006
Strom aus Mondenergie
Umweltfreundliches Kraftwerk auf dem Meeresboden vor Nordnorwegen
VON JUTTA BEINER-LEHNER.....................................

Oslo - Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. In Kvalsund, einem rund 1000-Seelen-Dorf im Norden Norwegens, speist jetzt ein Kraftwerk etliche Haushalte mit Strom aus "Mondenergie". Bei bisherigen Gezeitenkraftwerken - wie sie etwa in Frankreich üblich sind - mußte beim Bau stark in die Natur eingegriffen werden. "In Kvalsund installierten sie am Meeresgrund einen neuen Typ, der die Strömungen ausnutzt", so Svein Thompson, Pressesprecher des Industrieverbands Norsk Industri.

"Die einjährige Pilotphase ist jetzt beendet. Das Ergebnis ist sehr zufriedenstellend", sagt Thompson. "Die Voraussetzung dieser Art von Stromproduktion ist eine Strömung von mindestens 0,5 Meter pro Sekunde." Auch die besondere Dichte des Wassers, etwa im Vergleich mit Windenergie 850mal dichter pro Kubikmeter, macht die Energiegewinnung besonders effektiv. Und: "Es gibt keine negativen Effekte auf die Umwelt. Die Rotoren arbeiten sehr tief, so daß weder Schiffe noch Fischernetze beeinträchtigt werden können. Im Vergleich zur Windenergie verschandeln sie optisch auch nicht die Landschaft", so Thompson, "damit ist diese Technik umweltfreundlicher als Windenergie".

Die in 50 Meter Tiefe verankerte Pilotanlage in Kvalsund wiegt 107 Tonnen und gilt als weltweit modernste dieser Art. Allein die Verankerung ist 200 Tonnen schwer. Turbinen transformieren die Wasserkraft in elektrischen Strom. Die Flügel besitzen eine Spanne von 20 Metern, die gesamte Anlage ragt 31 Meter über den Meeresboden. Die Stromproduktion vor Ort liegt bei 0,7 Gigawattstunden pro Jahr. Die Turbinen am Meeresgrund sind dem aggressiven Salzwasser und auch besonderen Turbulenzen ausgesetzt. Dem natürlichen Wechsel der Gezeiten kann sich der Rotor anpassen und somit Strömungen von beiden Seiten nutzen.

Die Bilanz nach einjähriger Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks auf dem Meeresboden übertrifft alle Erwartungen. Selbst Befürchtungen, im Meer herumtreibende Objekte könnten die Produktionsstätte beschädigen und lahmlegen, erwiesen sich als unbegründet. "Lediglich die biologischen Verhältnisse unter Wasser erfordern eine besondere Aufmerksamkeit", erläutert Thompson. "Der natürliche Befall durch Mikroorganismen, Plankton oder Muscheln auf den Rotationsblättern muß regelmäßig von Tauchern entfernt werden."

Die Anlage ist das Resultat von langjähriger Forschungsarbeit und einem Investitionsvolumen von umgerechnet mehr als elf Millionen Euro. Die Kapazität der Pilotanlage reicht aus, um den Bedarf an Elektrizität von rund 15 bis 20 Haushalten zu decken. Svein Thompson: "17 weitere Anlagen sind geplant und könnten künftig einen Anteil von zirka drei Prozent an der Stromproduktion Norwegens ausmachen. In Europa wird das Potential für diese Technik insgesamt auf mindestens 105 Terawattstunden pro Jahr geschätzt. Wenn die Anlagen auf lange Sicht kostengünstiger produziert werden können, wird die Mondenergie auch den Strompreis für die Verbraucher senken."

Vor Kanada und den Shetland-Inseln werden derzeit vergleichbare Anlagen getestet. Experten beziffern das weltweite Potential der Mondkraft auf mindestens 450 Terawattstunden pro Jahr.

 

Wärme von Abwasser kann zum Heizen von Wohnungen genutzt werden
VON SILVIA VON DER WEIDEN..............................................................................

Im Osloer Vorort Sandvika hilft Abwasser beim Energiesparen. In der Kanalisation gewonnene Wärme sorgt für behagliche Temperaturen in 56 meist mehrgeschossigen Gebäuden. Nur wenn es Spitzenbedarf zu überbrücken gilt, springt die Zentralheizung ein. Bereits vor 17 Jahren entschieden sich Oslos Stadtplaner zu dem pfiffigen Vorhaben. Die Energiezentrale wurde so gelegt, daß zwei Wärmepumpen von je 6,5 Megawatt Leistung die Abwärme aus dem Abwasserhauptkanal nutzen können. Sie entziehen dem vorgereinigten und gefilterten Abwasser einige Grad Wärmeenergie und decken so rund 80 Prozent der Wärme- und Kälteenergieproduktion des Viertels. Denn im Sommer läßt sich die gewonnene Energie zur Kühlung eines Teils der Häuser nutzen.

Auf ähnliche Weise deckt auch die Schweizer Stadt Winterthur den Wärmeenergiebedarf von 400 Wohnungen.

Hier wird mit einer 820-Kilowatt-Wärmepumpe geheizt, die dem Abwasser über Wärmetauscherrohre Energie entzieht. Die Bewohner sparen rund 70 Prozent konventionelle Heizwärme ein. Trotz zunächst höherer Investitionen als bei einer Gasheizung zahlt sich die Technik langfristig aus. Die Winterthurer sparen bei den Jahresheizkosten rund zwölf Prozent gegenüber einer Gasheizung - eingerechnet indes die Förderung durch Land und Region.

Auch in Deutschland steigt das Interesse an der Nutzung von Abwasser, um Energie und Heizkosten einzusparen. Das Berliner Energieconsulting-Büro Ecos erprobt die Technik gemeinsam mit dem Schweizer Beratungsbüro Eam und Ryser Ingenieure und mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. "Interessant ist eine solche Abwasserheizung ab einem Wärmeleistungsbedarf von 150 Kilowatt", sagt Ecos Chef Wolfram Stodtmeister. "Das entspricht der Versorgung von rund 50 Wohneinheiten." Zudem sollte ein großer Abwasserkanal nicht mehr als 300 Meter entfernt liegen. In ihm werden Wärmetauscher verlegt, die aus dem zwischen zehn und 20 Grad warmen Abwasser Energie gewinnen. Eine leistungsfähige elektrisch betriebene Wärmepumpe nimmt die Wärmeenergie auf, verdichtet sie und gibt sie an einen Energiespeicher weiter, der an ein Nahwärmenetz angeschlossen ist. Einige deutsche Kommunen, etwa Leverkusen, Singen und Waiblingen, nutzen dieEnergie aus der Kanalisation bereits. Waiblingen speist siein ihr Femwärmenetz ein und deckt damit die Wärmegrundlast von Rathaus, Kreiskrankenhaus und Hallenbad.

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