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Originalbericht 

 

Landshuter/Straubinger Zeitung Samstag, 6.Februar 1999

Privates High-Tech-Projekt ist am ScheiternRenommierter Wissenschaftler vor dem Ruin

Blutdiagnostik-Forscher Reinhold Kiehl kämpft seit vier Jahren um Biotechnologie-InstitutPrivates High-Tech

Furth im Wald. Ein renommierter Forscher kämpft seit vier Jahren für ein privates High-Tech-Projekt - um den Aufbau eines Biotechnologie-Instituts als GmbH. Bislang vergebens. Im Anerkennungsstreit mit den Fachbehörden ist er bislang der große Verlierer. Sein Konzept hat eine entscheidende Lücke. Ob er den Kampf gewinnen kann, ist zu diesem Zeitpunkt fraglich. Es geht um das liebe Geld - um staatliche Fördermittel. Ohne sie droht dem Wissenschaftler der Ruin.

Der große, holzverkleidete Bau am Saliterweg in Furth im Wald ist unübersehbar. Ein schlichtes Schild an der Frontseite verrät, was drinnen passiert: Dr. Kiehl - Labor und Forschung. Ein Dutzend Wissenschaftler forscht und experimentiert hinter diesen Wänden, unterstützt von Assistenten, Technikern, Sekretärinnen, Schreibkräften. Ihr Rohstoff und Grund ihres Forscherdranges ist Blut, frisches Menschenblut, das ihnen konkrete Aufschlüsse über Krankheitsverläufe und -bilder und deren Therapiemöglichkeiten liefern soll. Blutdiagnostik - zuvörderst auf dem Gebiet der stoffwechselbedingten Krankheiten, wie Allergien, Leukämie, Psoriasis, Seborrhoe und andere - bis hin zu günstiger Beeinflussung schwerster Krankheitsverläufe wie Aids.

Innerhalb von vier Jahren sind 30 zum Teil hochqualifizierte Arbeitsplätze entstanden. Mindestens 20 weitere sollen in den kommenden zwei Jahren folgen. Das private Institut der sogenannten roten Biotechnologie mit Schwerpunkt Molekularmedizin hat sich weltweiten Ruf erworben. Es erwirtschaftet mehr als fünf Millionen Mark im Jahr.

Der Traum ist geplatzt

So sah die Zukunftsvision des Biochemikers, Physikochemikers und Molekularmediziners Dr. Reinhold Kiehl Anfang 1995 aus, als er antrat, um langjährige Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der roten Biotechnologie in die konkrete Anwendung und Vermarktung zum Nutzen des medizinischen Fortschritts und betroffener Patienten zu bringen. Doch daraus ist bis heute nichts geworden; der Traum ist geplatzt. Lediglich das Labor-Gebäude steht. Die anwendungsbezogene Forschung wurde nie begonnen. Nun droht Kiehl der finanzielle Ruin.

Die wissenschaftliche Forschung des habilitierten Doktors ist weithin anerkannt. Auf dem Gebiet der Blutdiagnostik ist sie zum Teil bahnbrechend. Großkliniken in Europa und Amerika arbeiten nach dieser Methode, Forschungs- und Pharmakonzerne bedienen sich ihrer. Reinhold Kiehl ist gefragter Gast auf Symposien und Kongressen in aller Welt. Er pflegt wissenschaftlichen Austausch und Kontakt mit Nobelpreisträgern von San Francisco bis Tokio. Der 51jährige gilt als begehrter Gutachter internationaler Forschungsergebnisse, hat zum Beispiel die Ergebnisse der amerikanischen Viagra-Erfinder wissenschaftlich mitbeurteilt. Vor drei Jahren wurde er als EU-Gutachter berufen davon gibt es wenige in Deutschland.

"Totes" Blut = falsche Ergebnisse

Reinhold Kiehl definiert das Unternehmensziel seiner GmbH so: "Vermarktung neuer diagnostischer Verfahren und marktgerechte Optimierung der heute vollkommen unbefriedigenden therapeutischen Realität durch ein innovatives Dienstleistungskonzept bei allergischen Erkrankungen."

Seine Theorie: Wenn Menschenblut dem Körper entnommen wird, muß es innerhalb einer halben Stunde laboruntersucht sein, sollen authentische Erkenntnisse und Therapiemöglichkeiten auf dem Gebiet der Stoffwechselerkrankungen gewonnen werden. Nach einer halben Stunde, so der Molekularmediziner, ist es "totes" Blut, das verfälschte Ergebnisse zeitigt. Die langen Wege – von der Arztpraxis zum Labor und wieder zurück – seien aber in der medizinischen Praxis die Regel und für Diagnosen bei Stoffwechselkrankheiten untauglich.

Bestätigung im Selbstversuch

Die Bestätigung seiner Blutdiagnostik-Theorie hat Kiehl unter anderem in Versuchen und Therapien an sich selbst und im Familienkreis gewonnen. Auf der Grundlage seiner Bluttestmethode wurden mehrere Familienmitglieder und Verwandte von stoffwechselbedingten Krankheiten, wie Neurodermitis und Seborrhoe, dauerhaft geheilt.Für den Wissenschaftler Kiehl ist seine Methotik konkrete Anwendungsforschung; und damit wäre sie nach dem Bayerischen Technologie-Einführungs-Programm durchaus förderungsfähig. Die Behörden sehen das anders. Kiehls Arbeit bleibe im Stadium der Grundlagenforschung stecken. Vor allem aber sei er Nichtarzt, dürfe also weder diagnostizieren noch therapieren; kurz: seine Blutdiagnostik-Methode auch nicht anwenden. Somit sei er nicht förderungsfähig.

Jetzt droht die Versteigerung

Vor vier Jahren hat Kiehl auf die günstigen Beurteilungen durch einschlägige Institutionen und mündliche Fördermittel-Zusagen, auch durch die Regierung der Oberpfalz, noch vertraut. Auch das Arbeitsamt empfahl ihm den Schritt in die Selbständigkeit. Aus eigenen Mitteln und mit erheblichen Krediten hat er das Gebäude erstellt. Spätestens bei der Finanzierung und Installation der teuren Laborgeräte hätte es der Fördermittel bedurft. Sie sind nie geflossen. Die Genehmigungs- und Vergabebehörde die Regierung der Oberpfalz, begründet ihre Kehrtwendung so: Die Methodik sei hervorragend geeignet für ärztliche Anwendung, zum Beispiel in Universitätskliniken. Kiehl aber sei kein Arzt. Das sei die entscheidende Lücke im Konzept (siehe auch Extra: "Arzt oder Nichtarzt... ").

Über Monate hinweg lebte der in Wissenschaftskreisen weltweit bekannte Molekularmediziner von Arbeitslosenhilfe und wissenschaftlichen Gelegenheitsarbeiten. Jetzt droht die Versteigerung dessen, was sich Kiehl aufgebaut hat, aber nicht vollenden konnte, obwohl detaillierte und plausible Geschäftspläne auf zehn Jahre hinaus vorliegen. Die Hausbank will die Kreditlinie kündigen.

"Selbstherrliche Bürokraten"

Mittlerweile hat Kiehl Bewerbungen um Professuren an Hochschulen im In- und Ausland laufen. Er hat sein als bahnbrechend deklariertes Zukunftsprojekt der Molekularmedizin so gut wie aufgegeben. Und äußert Mißmut und Zweifel, nahezu Verzweiflung, über die "selbstherrlichen Bürokraten in den Amtsstuben" der dafür zuständigen Regierung der Oberpfalz in Regensburg, die sein Projekt fachlich doch gar nicht ausreichend beurteilen könnten, sich ansonsten in ihren Ablehnungsbescheiden in Widersprüche verwickelten. Nun will Kiehl nicht mehr stillhalten. Wissenschaftliche Kollegen in den Vereinigten Staaten haben ihm dringend zum Schritt an die Öffentlichkeit geraten.

Führende Kommunalpolitiker der Stadt Furth im Wald und des Landkreises Cham stehen hinter dem Kiehl-Projekt. Aber ihnen sind die Hände gebunden. Vor allem fehlt ihnen die fachliche Beurteilungskompetenz. Es herrscht Ratlosigkeit. "Ist der Mann künftiger Nobelpreisträger oder ein Scharlatan - oder steht er irgendwo mittendrin?" fragt sich unter anderen ein bedeutender Kommunalpolitiker des Landkreises Cham. Die wissenschaftlichen Referenzen des Kiehl liegen indes vor. An denen sowie an der Kompetenz Kiehls hat auch die Regierung der Oberpfalz keinen Zweifel. Sie hält ihm aber Sturheit vor. Der Doktor wolle geltende Rechtsvorschriften und verbindliche Verordnungen nicht akzeptieren.

Alle Hoffnung ruht auf Stoiber

Der Wissenschaftler selbst mutmaßt, daß sein privates Biotechnologie-Labor politisch unerwünscht sei. Er hat sich in Petitionen an zahlreiche Politiker gewandt, von Scharping bis Kohl. Die Antworten sind meistens nichts- sagend. Es wird "viel Erfolg" gewünscht, ansonsten auf die eigene Nichtzuständigkeit und an andere oder "die zuständigen" Stellen verwiesen. Auch an den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber hat Kiehl sich gewandt und seine bittere Enttäuschung geäußert, daß im High-Tech-Land Bayern stets zu Existenzgründungen aufgerufen werde, eine staatlich geförderte High-Tech-Offensive nach der anderen laufe, die private High-Tech-Initiative aber nicht gewollt sei. Auf Stoiber aber setzt Kiehl alle Hoffnung.Von der Bayerischen Staatskanzlei hat Kiehl auch durchaus wohlwollende Signale bekommen. Aber nach vierjährigem Genehmigungskampf scheint der Wagen vollends verfahren. Kiehl hat Konkurs anmelden müßen. Für die Bezirksregierung in Regensburg ein weiterer guter Ablehnungsgrund: Es besteht mittlerweile die Gefahr der hoffnungslosen Überschuldung des Projektes. Der Kreis schließt sich... Bernhard Stuhlfelner