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Straubinger,Landshuter, 14.Mai 2004

"Die redaktionelle Vielfalt erhalten"

Wiesheu lehnt auch die neuen Pläne Clements zur Änderung des Pressefusionsrechts ab

München. (E.B.) Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu lehnt auch die neuen Vorschläge des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Änderung des Pressefusionsrechts ab.

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Clement, den Zusammenschluss von Verlagen trotz Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zuzulassen, sofern die übemommene Zeitung publizistisch selbstständig bleibt (sog. Altverlegerlösung), hatte Wiesheu stets kritisiert: Dies führe zu einer Trennung der publizistischen Verantwortung von der Eigentümerstellung, die dem deutschen Presserecht fremd sei. Das ziehe die Frage nach sich, wer nach der Fusion noch effektiv über die redaktionelle Unabhängigkeit wachen solle.

Der bisherige Entwurf betraute das Bundeskartellamt mit einer laufenden Kontrolle über die redaktionelle Unabhängigkeit der übernommenen Zeitung. Das wäre nicht ohne inhaltliche Prüfung zu leisten gewesen. Wie auch Clement inzwischen erkannt zu haben scheint, war diese Lösung mit der Pressefreiheit nicht vereinbar.

Nach dem neuen Entwurf soll das Bundeskartellamt bei der Zusammenschlusskontrolle Bedingungen und Auflagen machen, um Fortbestand und redaktionelle Unabhängigkeit des übernommenen Titels durch zivilrechtlich durchsetzbare Ansprüche zu gewährleisten. Nach der Fusionsfreigabe soll das Bundeskartellamt allerdings ganz außen vor bleiben. Dann soll es offenbar allein in der Hand der aufgekauften Zeitung liegen, ihre redaktionelle Eigenständigkeit ggf. vor den Zivilgerichten durchzusetzen.

Wiesheu:"Das ist eine ordnungspolitische Bankrotterklärung und lädt zu Strohmannlösungen geradezu ein. Die neuen Vorschläge machen die von Anfang an kritisierte Altverlegerklausel endgültig zur lex Tagesspiegel".

Reine Augenwischerei ist die Beschränkung der Altverlegerlösung im neuen Entwurf auf Zusammenschlüsse mit wirtschaftlich schwachen Zeitungen:Der neue Vorschlag "beschränkt" die Altverlegerlösung auf Titel, deren Anzeigen- und Beilagenerlöse in den letzten drei Geschäftsjahren rückläufig waren. Tatsächlich sind diese Erlöse aber bereits seit Jahren bei so gut wie allen Zeitungen gefallen. Und wenn sich das in der Zukunft wieder ändert, was im Interesse der Meinungsvielfalt zu hoffen ist, bleibt stets noch der folgende Kniff: Ein gesunder Konzern fusioniert einen eigenen kranken Titel mit einem fremden gesunden Titel. Das erlaubt der Entwurf. Ausgenommen von der Altverlegerlösung und damit verboten sollen weiterhin zeitlich eng aufeinanderfolgende Zusammenschlüsse auf räumlich benachbarten Märkten sein.

Diese Regelung ist in ihren Voraussetzungen äußerst vage formuliert und nicht justiziabel. Sie zeigt zudem, dass Clement selbst die redaktionelle Unabhängigkeit durch die Altverlegerlösung nicht hinreichend abgesichert sieht. Warum sollten gerade Regionalketten verboten sein, wenn doch - nach Clements Auffassung - die Redaktionen selbstständig bleiben?

Wiesheu:"Wir sind weiterhin dagegen, die Marktbeherrschung in der Zeitungsbranche kartellrechtlich abzusichern. Bayern wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die redaktionelle Vielfalt nicht publizistischen Oligopolen zum Opfer fällt."

Die so auch schon im bisherigen Entwurf enthaltene Anhebung der Umsatzschwellen, ab denen Pressefusionen überhaupt erst der Kontrolle durch das Bundeskartellamt unterliegen, hat - so die Begründung zum Gesetz - folgende Konsequenzen: ca. 30 selbstständige Zeitungsverlage könnten zusätzlich kontrollfrei aufgekauft werden (Bagatellklausel) und weitere ca. 50 Zeitungsverlage könnten zusätzlich kontrollfrei fusionieren (Umsatzschwelle). Damit bestätigt das Bundesministerium die von Wiesheu bereits mehrfach geäußerte Befürchtung, auch diese Regelung leiste nur weiterer Konzentration auf dem Tageszeitungsmarkt Vorschub. Die Vorschläge gehen hier zu weit.

Neu ist, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit außerdem ohne weitere Voraussetzungen Kooperationen und Fusionen von Zeitungen im Anzeigenbereich der Kontrolle durch die Kartellbehörden gänzlich entziehen will. Angesichts der bereits nach dem geltenden Kartellrecht bestehenden Kooperationsmöglichkeiten für kleine und mittlere Verlage öffnet dieser Vorstoß letztlich vor allem Großverlagen neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. "Ob das ordnungspolitisch vertretbar ist, muss noch sehr kritisch hinterfragt werden", so der Minister.