Straubinger, 7.Febr2005

Mit Licht gegen den Winterschlaf im Kopf
Forschung in Regensburg: Sonne aus der Steckdose macht müde Menschen munter

Regensburg. (obx) Viele Millionen Deutsche leiden unter Winterdepressionen: Ostbayerische Forscher zählen zu den renommiertesten Experten auf diesem Gebiet.

Der Winter macht die Deutschen depressiv - jeder Vierte leidet in den dunklen, trüben Wintermonaten unter teilweise erheblichen psychischen und somatischen Beschwerden: Entdeckt wurde das Phänomen der Winterdepression mit Niedergeschlagenheit, gedruckter Stimmung, Angstzuständen und Heißhunger auf Süßigkeiten vor genau 25 Jahren in den Vereinigten Staaten.

Einer von Deutschlands renommiertesten Forschern auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums am Bezirksklinikum Regensburg. Anders als klassische Depressionen lassen sogar Bären und Murmeltiere in den Winterschlaf versinken. "Auch Menschen schlafen im Winter länger", erklärt Prof. Zulley. "Viele Körperfunktionen arbeiten in dieser Zeit im Schongang." Nach Schätzungen von Experten sind es mehr als zehn Millionen Deutsche, die von diesem Stimmungstief betroffen sind. Das Schlafmedizinische Zentrum in Regensburg gilt heute als eines der Zentren bei der Erforschung von Winterdepressionen.

Melatonin macht müde

Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterlicht ist weit gravierender als der Mensch das wahrnimmt: Lampen mit 500 Lux Lichtstärke empfinden wir als hell, das vegetative System springt dagegen erst bei Lichtstärken von rund 2500 Lux an. "Bei Lichtmangel schüttet der Körper mehr Melatonin aus", erklärt Prof. Zulley. "Die Folge: Man ist den ganzen Tag müde, denn das Hormon soll die Stimmung drücken, damit der Mensch zur Ruhe kommt." Der Professor für Biologische Psychologie an der Universität Regensburg und Präsident der Deutschen Akademie für Gesundheit und Schlaf (DAGS) ist seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet der Chronobiologie - die Erforschung der inneren Uhr des Menschen - tätig. Zulley: "Das Zauberwort heißt Sonne und bringt Licht in die Seele." Denn Sonnenlicht, das über die Augen auf die Zirbeldrüse wirkt, unterdrückt die Melatonin-Produktion. Das kann aber auch sonnenlichtähnliches Kunstlicht sein, Dank der Forschungsarbeit aus Regensburg in vielen Therapiezentren in der ganzen Welt heute Standard.

Sonnentag hat bis 120 000 Lux

Betroffene der" Saisonal Abhängigen Depressivformen" (SAD) werden dann täglich 40 Minuten vor einer Lampenbatterie mit 10000 Lux behandelt. Zum Vergleich: Ein Büroraum weist eine durchschnittliche Helligkeit von 500 Lux auf, 1500 bis 2 500 Lux beträgt die Helligkeit an einem bewölkten Winter- oder Frühlingstag. Und ein strahlender Sonnentag kann die Lichtstärke bis zu 120 000 Lux aufweisen. Mit konventionellen Solarien hat das aber nichts zu tun, weil das Spektrum bei der Lichttherapie UV-frei ausschließlich über die Augen wirkt. Manchmal hilft es den Betroffenen, die nur unter einer leichten Form der Winterdepression leiden, wenn sie regelmäßig ausgedehnte Spaziergänge im Freien machen. "Die Helligkeit, die über das Auge die Hirnanhangdrüse beeinflusst, ist entscheidend", sagt Zulley. Heute zahlen fast alle Krankenkasse bei schweren Symptomen aber auch die Therapie mit den Speziallampen gegen den "Winterschlaf im Kopf".

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