Straubinger,Landshuter, 20./21.Oktober 2004

Zuwanderungsrat: Fachkräfte anwerben

Kontingent von 25 000 Ausländern empfohlen - Schily reagiert zurückhaltend

Berlin. (dpa) Der Sachverständigenrat für Zuwanderung hat der Bundesregierung empfohlen, im nächsten Jahr 25 000 auf dem deutschen Arbeitsmarkt dringend benötigte Fachkräfte im Ausland anzuwerben. Dabei handelt es sich vor allem um qualifizierte Pflegekräfte, Maschinenbau-Ingenieure sowie Bank- und Versicherungskaufleute. In diesen Berufen gibt es auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu wenig Angebot an geeigneten Fachkräften.

Wie die Vorsitzende des Rates, die CDU-Politikerin Rita Süssmuth, am Dienstag bei der Vorlage des ersten Zuwanderungsberichtes nach dem im Sommer verabschiedetem Gesetzes sagte, habe man sich bei der Zuwanderungs-Empfehlung auf "reine Engpässe" beschränkt. Das Zuwanderungsgesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, bei erkanntem Mangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten sowie deren Familien den Zuzug nach Deutschland zu ermöglichen.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) kündigte eine genaue Prüfung an. Angesichts von 4,35 Millionen Arbeitslosen in Deutschland sei eine solche Empfehlung -nicht einfach umzusetzen. Bei der Anwerbung von ausländischen Informatikern mit Hilfe der Greencard-Regelung sei Anfang 2000 zugleich ein Ausbildungsprogramm an deutschen Universitäten gestartet worden, um den Bedarf künftig selbst zu decken.

 

SPD und Union gegen Fachkräfte-Anwerbung

Berlin. (AP) Politiker von SPD und Union haben die vom Zuwanderungsrat empfohlene Aufnahme von 25000 ausländischen Arbeitskräften im nächsten Jahr einhellig abgelehnt. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte am Mittwoch, die Koalition werde den Vorschlag angesichts der hohen Arbeitslosigkeit nicht aufgreifen. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt würde "zu großem inneren Unfrieden in Deutschland führen". CSU-Landesgruppenchef Michael Glos nannte die Vorschläge des Zuwanderungsrats "völlig absurd!".

 

WIRKLICH ZYNISCH

VON WERNER OHL

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hat Recht: Es grenzt wirklich an Zynismus, angesichts von knapp fünf Millionen Arbeitslosen in Deutschland die Zuwanderung von 25000 Fachkräften aus dem Ausland zu verlangen.. Solange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um Deutsche ohne Arbeit für die unbesetzten Arbeitsplätze zu qualifizieren, sind solche Vorschläge inakzeptabel. Sogar Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der den Sachverständigenrat für Zuwanderung eingesetzt hat, war äußerst skeptisch, nachdem ihm Rita Süssmuth den ersten Zuwanderungsbericht des Gremiums übergeben hatte.

Ausgerechnet Maschinenbau-Ingenieure will der Rat nach Deutschland holen. Währenddessen schreiben sich Tausende arbeitsloser Ingenieure, die sicherlich jederzeit zu einer Umschulung bereit wären, mit Bewerbungen die Finger wund. Aber nicht nur das: Woher sollen denn die Versicherungs- und Bankkaufleute, die der Sachverständigenrat anwerben will, zu Tausenden kommen? Etwa aus der Dritten Welt? Denn die aus den benachbarten Industrieländern haben derzeit sicherlich keine große Lust, nach Deutschland zu kommen. Der Ruf nach Pflegekräften ist da noch aussichtsreicher.

Vielleicht wäre es wirklicher sinnvoller, den Zuwanderungsrat aufzulösen und stattdessen ein Gremium zu bilden, das auf dem deutschen Arbeitsmarkt nach Fachleuten sucht. Mehr noch: Eine Abwanderungskommission muss her, die versucht, deutsche Topleute zu halten und solche, die bereits abgewandert sind, wieder zurückzuholen. Nach Zahlen der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" liegt das Potenzial von Akademikern, die unter attraktiven Bedingungen wieder nach Hause kommen würden, bei 44 Prozent. Deutschland hat genug gute Leute. Und übrigens nicht nur Deutsche.

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