Landshuter,Straubinger,30.Oktober 2004

Antidepressiva weiter im Zwielicht

Bei Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren ist Vorsicht geboten

Nach den amerikanischen und britischen Gesundheitsbehörden rät auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu Vorsicht bei der Behandlung von Depressionen mit Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI). Zwar gebe es nach derzeitigen Erkenntnissen keinen Grund, die Indikationen für diese Medikamente einzuschränken, doch sei es unbedingt notwendig, die Patienten während der Therapie sorgfältig zu beobachten, erklärte die Kommission in Berlin. Hintergrund sind Berichte über ein möglicherweise erhöhtes Selbstmordrisiko von Kindern und Jugendlichen, die mit SSRI behandelt werden.

SSRI greifen in das System des Gehirnbotenstoffs Serotonin ein. Weil die Substanzen deutlich geringere Nebenwirkungen haben als trizyklische Antidepressiva, die etwa Herzrhythmusstörungen verursachen können, werden sie seit Jahren auch in Deutschland immer häufiger verschrieben. In vielen Ländern, darunter den USA, Italien oder den Niederlanden, zählen sie zu den gebräuchlichsten Antidepressiva.

In das Blickfeld der breiten Öffentlichkeit gerieten die Mittel im vergangenen Jahr: Nachdem Studien auf eine erhöhte Suizidgefährdung von Kindern und Jugendlichen unter der Therapie mit Paroxetin - Handelsname Seroxat oder Deroxat - hingedeutet hatten, untersagte die britische Zulassungsbehörde die Behandlung depressiver Minderjähriger mit diesem und anderen vergleichbaren Mitteln. Nur bei Fluoxetin - Handelsnamen Prozac oder Fructin - bewertete die Behörde das Risiko-Nutzen-Verhältnis positiv.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA sprach sich kürzlich zwar dagegen aus, den Medikamenten die Zulassung zumindest für die Behandlung junger Patienten zu entziehen. Gleichwohl verlangen die amerikanischen Gesundheitsexperten jetzt für SSRI strengste Warnhinweise und spezielle Patienteninformationen. Die deutsche Arzneimittelkommission schloss sich nun diesen Empfehlungen an und rief die Ärzte zu einer strengen Kontrolle der Patienten auf.

Vor allem auf das Auftreten von psychomotorischen Erregungssymptomen wie Unruhe, Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Aggressivität oder dranghaften Suizidgedanken müsse geachtet werden, erklärten die Experten. Gegebenenfalls müssten die Medikamente auch abgesetzt oder die Dosierungen reduziert werden. (AP)