Straubinger, 3.März2006
Der schleichende Niedergang der Lunge Volkskrankheit "COPD" auf dem Vormarsch
Weltgesundheitsorganisation: Krankheit wird 2020 die dritthäufigste Todesursache sein

Auch wenn derzeit über verschiedene Rauchverbote diskutiert wird: Mehr als 20 Millionen Menschen greifen in Deutschland regelmäßig zu Glimmstängeln, weltweit sind es mehr als 1,1 Milliarden. Die Folgen sind absehbar: Eine Lungenkrankheit, der Mediziner den unhandlichen Namen COPD verpasst haben, wird nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon 2020 weltweit die dritthäufigste Todesursache sein. Unter den derzeit mit der Vorsilbe "Volks-" bezeichneten Krankheiten ist sie die einzige mit zunehmender Häufigkeit auch in Deutschland.

"Hinweise aus Studien deuten darauf hin, dass 20 Prozent der Bevölkerung behandlungsbedürftig sind. In Behandlung sind jedoch weniger als zehn Prozent", sagt der Lungenfacharzt Michael Barczok aus Ulm, Vorstandsmitglied im Bundesverband der Pneumologen (BdP). Das Problem ist, dass die Einschränkung der Lungenfunktion bei COPD nur langsam fortschreitet und erst nach vielen Jahren wahrgenommen wird. "Das macht die Krankheit so tückisch. Man erlebt das nicht so bedrängend wie bei einer akuten Erkrankung", sagt Michael Barezok.

COPD eine Abkürzung für "Chronic Obstructive Pulmonary Disease", auf Deutsch: "chronisch obstruktive Lungenerkrankung" - bezeichnet zwei Krankheitsbilder: die chronisch-obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem. Der Hauptunterschied zur einfachen Bronchitis ist die Einengung der Atemwege durch das dauerhafte Anschwellen der Schleimhäute - Obstruktion bedeutet Behinderung. Der Abbau von Lungengewebe das Lungenemphysem unterscheidet COPD vom Asthma, das auf die Atemwege beschränkt bleibt.

Kennzeichen von COPD ist eine abnormale Entzündung der Bronchien als Antwort auf äußere schädliche Einflüsse, wie Prof. Michael Pfeifer von der Uniklinik Regensburg, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), erklärt. "Und das ist in der Regel der Zigarettenrauch." In westlichen Ländern sei das Rauchen in neun von zehn Fällen Ursache für COPD.

"Abnormal bedeutet aber, dass eine gewisse genetische Anfälligkeit vorliegen muss", sagt Pfeifer. Das erkläre auch, warum nicht alle Raucher, sondern nur etwa 20 Prozent davon die Krankheit entwickeln.

Aber auch andere Ursachen sind denkbar: Einmal hatte Pfeifer eine Patientin, die nie geraucht hatte und auch beruflich nicht zu einer Risikogruppe gehörte. Die Erklärung lieferte das Hobby der Frau: Sie hatte Jahrzehnte lang in ihrem Keller immer wieder Fische geräuchert. "Grundsätzlich kann jede Form der Vergiftung der Schleimhaut zu einer COPD führen", erklärt Michael Barczok.

Je eher die Krankheit erkannt wird, desto besser sind die Möglichkeiten, den Verlauf zu beeinflussen. "In der Regel kommen die Patienten mit COPD aber erst dann, wenn sie noch weniger als die Hälfte der Lungenleistung besitzen, sagt Michael Barczok.

Husten und Atemnot sind die ersten Warnsignale. Wer keine Treppe mehr hoch kommt, ohne dass der Puls rast, sollte sofort einen Arzt aufsuchen: "Atemnot bei Belastung ist eines der Frühsymptome", sagt Michael Barczok. Gesellt sich Reizhusten dazu, der länger als acht Wochen anhält, ist das bereits das erste Zeichen einer übermäßigen Schleimproduktion und des kommenden Lungenverfalls.

Das Problem bei der Behandlung einer COPD ist, dass es bis heute keine Therapie gibt, die die Lunge wieder aufbaut. "Was zerstört ist, ist zerstört", sagt Pfeifer. Ziele sind nach Angaben der Deutschen Atemwegsliga in Bad Lippspringe (Nordrhein-Westfalen), Husten und Auswurf zu lindern, die Einengung der Atemwege zu vermindern und die körperliche Belastbarkeit zu steigern. Insgesamt geht es darum, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebenserwartung der Betroffenen zu steigern. Arzneimittel sollen vor allem die Atemwege erweitern, Entzündungen hemmen und den Schleim lösen. Außerdem wird Patienten mit COPD der Atemwegsliga zufolge eine jährliche Grippeschutzimpfung im Herbst empfohlen."Wir haben uns Jahre lang zu sehr auf Medikamente konzentriert", sagt Michael Pfeifer. Ein weiteres Standbein der Therapie sei daher inzwischen das körperliche Training: Dadurch bauen Patienten ihre Muskelkraft wieder auf und sind stärker belastbar. "Die Lunge wird davon nicht beeinflusst. Ich optimiere aber das Drumherum. Das führt dazu, dass der Patient wieder mehr tun kann und sich seine Lebensqualität steigern lässt." Auch subjektiv erleben die Patienten laut Pfeifer die Atemnot nicht mehr so stark.

Entscheidend für den Erfolg all dieser Maßnahmen ist jedoch, dass die Betroffenen das Rauchen aufgeben. Denn hängt ein COPD-Patient trotz seines kritischen Zustandes weiterhin an den Glimmstängeln, hat die Gabe von Bronchien erweiternden Medikamenten den gegenteiligen Effekt: Kommt statt frischer Luft Zigarettenrauch in die Lunge, beschleunigt das nur den Verfall. (gms)

Informationen:Einen Fragebogen zur Einschätzung des eigenen COPD-Risikos gibt es auf der BdP-Webseite www.pneumologenverband.de. Eine Patientenbroschüre bietet die Atemwegsliga, Burgstraße 12, 33175 Bad Lippspringe (Telefon 052521933615, Fax 052521933 616, Internet.www.atemwegsliga.de).

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