Straubinger,Landshuter, 28.Oktober 2004

Bildung und Forschung können den Standort aus der Krise holen

S t r a u b i n g. (Eig.Ber.) Hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Wachstum, Reformstau. Der Wirtschaftsstandort Deutschland steckt - bekanntermaßen - in der Krise. Die Suche nach Auswegen dominierte den Wirtschaftstag der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken am Montag in Straubing. Innenminister Günther Beckstein, Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der ehemalige Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, und Christian Bretthauer, Geschäftsführer der Dr. Vielberth Verwaltungs GmbH, erläuterten vor den rund 1500 Gästen ihre Konzepte für ein Deutschland, das im internationalen Wettbewerb wieder ganz vorne mitspielen kann.

Bretthauer gab einen Überblick über ein mittelständisches Unternehmen, das trotz der Krise gut auf dem Markt positioniert ist. Die Unternehmensgruppe Vielberth hatte 1967 mit dem Donaueinkaufszentrum in Regensburg das erste vollklimatisierte Einkaufszentrum Europas verwirklicht. Heute verwaltet die Unternehmensgruppe neben Einkaufszentren auch Gewerbeparks und Rastparks. "Kurze Entscheidungswege und viel Kompetenz vor Ort" bezeichnete der Verbandspräsident des Genossenschaftsverbands Bayern, Wilhelm Frankenberger, als entscheidende Erfolgsfaktoren des Unternehmens.

Doch vielen deutschen Untemehmen geht es derzeit weniger gut: "Das einstige Spitzenland der Europäischen Union ist jetzt das Schlusslicht", klagte Beckstein. Jährlich gingen hunderttausende Arbeitsplätze verloren. Deutschland laufe zudem Gefahr, erneut gegen den Euro-Stabilitätspakt zu verstoßen.

Schuld daran ist nach Ansicht von Beckstein die "verheerende Konzeptionslosigkeit" der Bundesregierung. Die Arbeitsmarktreform Hartz IV sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, "aber wir brauchen ein Gesamtkonzept für eine Trendwende".

Bayern versuche sich vom negativen Trend abzukoppeln. Deshalb arbeitet der Freistaat laut Beckstein zum einen auf eine Vereinfachung der Steuerpolitik hin. Der Steuer-Dschungel müsse beseitigt werden. Angestrebt wird außerdem eine drastische Entlastung für den Mittelstand bei der Erbschaftsteuer.

Zum anderen trägt laut Beckstein die Sparpolitik der Staatsregierung zur Standortförderuiig bei. "Es kann nicht sein, dass für die Zukunft unseres Landes kaum noch Geld übrig ist. Deshalb versuchen wir gegenzusteuern", betonte Beckstein.

Außerdem müsse der Staat selbst noch schlanker und flexibler werden. Dazu gehörten der Bürokratieabbau ebenso wie die Einführung der 42-Stunden-Woche bei den Beamten.

Auf der anderen Seite muss das Land nach Ansicht von Beckstein vor allem seine "natürlichen Ressourcen" stärken: "In Bayern sind dies Forschung und Wissenschaft." An die Firmenvertreter unter seinen Zuhörern appellierte er zudem, die Ausbildung nicht zu vernachlässigen und dankte vor allem den Mittelständlern für ihr großes Engagement.

Ein Lob, das Siemens-Chef von Pierer in seiner folgenden Rede sogleich aufgriff: Schließlich sehe man sich auch als einen der "großen Mittelständler in Bayern" . , Zugleich ist Siemens freilich nach der FIFA, der katholischen Kirche, der UNO und CocaCola die Organisation mit den meisten Außenstellen in aller Welt. Aus dieser globalen Sicht zeichnete der Siemens-Chef ein äußerst kritisches Bild des Standortes Deutschland. Auf dem Titel "Exportweltmeister" könne man sich keinesfalls ausruhen. "Der Anteil der Importe an den Exporten steigt nämlich immer weiter an", erläuterte von Pierer. Oft werde in Deutschland nur noch veredelt. "Das schafft keine Jobs", warnte von Pierer.

Den Vorwurf des "unpatriotischen Verhaltens" gegen Firmen, die ins Ausland abwandern, gab er an die Kunden weiter. "Die finden die hohen Preise ja auch nicht gut und kaufen - ganz unpatriotisch - lieber billige Waren", sagte von Pierer.

Doch er sieht auch Chancen für Deutschland:Denn in Krisen seien die Leute zu Veränderungen bereit. Zum einen forderte er Kostensenkungen. Durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten in den Siemens-Werken Bocholt und Kamp-Lintfort habe man immerhin die Verlagerung ins Ausland verhindern können. "Klar ist aber auch, dass wir die Kosten nicht beliebig senken können, denn unsere Sozial- und Umweltstandards wollen wir schließlich erhalten", bekräftigte der Siemens-Chef. Aus diesem Grund müsse man eben "besser, schneller und innovativer" sein als der Rest der Welt. Der Schlüssel für mehr Innovation aber liege in Bildung, Forschung und Entwicklung, betonte von Pierer: "Wettbewerbsfähigkeit beginnt im Klassenzimmer!" Susanne Herr

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