Straubinger,Landshuter, 16.Oktober 2004

Beim Beet-Umgraben einen Römerschatz entdecktHobbygärtner machte vor 25 Jahren in Weißenburg sensationellen Fund –

30 000 Kulturtouristen jährlichWeißenburg. (dpa) Eigentlich wollte der Weißenburger Hobbygärtner am 19.Oktober 1979 nur ein Spargelbeet umgraben. Ans Tageslicht kamen zu seinem großen Erstaunen aber Gefäße und Eimer, vollgepackt mit römischen Gegenständen und Tempelschätzen. Der Zufallsfund vor 25 Jahren machte die mittelfränkische Stadt Weißenburg endgültig zu einer Römerstadt, nachdem dort bereits zwei Jahre zuvor Römische Thermen ausgegraben worden waren. Der Römerschatz wird in einem 1983 neu eröffneten Römermuseum der 18000-Einwohner-Stadt gezeigt.

Über 150 Einzelteile umfasst der Fund von Weißenburg, darunter 17 bronzene Statuetten und elf silberne Altartafeln aus einer heiligen Stätte. "Er ist sicherlich einer der sensationellsten Funde", sagt der Leiter des Römermuseums, Helmuth Richter. Er schwärmt besonders von den Bronzefiguren: "In Rom gab es auch nichts Besseres". Funde mit einer derart kunstvollen Bearbeitung seien in den Gebieten der ehemaligen römischen Provinzen eher ungewöhnlich. Zudem seien alle Gegenstände in einem außergewöhnlich guten Zustand gewesen.

Weißenburg, im alten Römerreich unter dem Namen Biriciana bekannt, war eine Grenzstadt am römischen Limes und beherbergte eine Kavallerie zur Verteidigung des Grenzwalls. Erst langsam sei klar geworden, welche Bedeutung der Fund habe, erzählt Richter. Anfangs seien die Kostbarkeiten noch im Tresor der örtlichen Sparkasse aufbewahrt worden. Der Freistaat Bayern habe dann dem Finder einige Monate später den Römerschatz für insgesamt 1,8 Millionen Mark (920 000 Euro) abgekauft und an die Archäologische Staatssammlung München übergeben.

Im Stadtrat sind die Pläne zur Eröffnung eines Römermuseums nicht nur auf Zustimmung gestoßen. "Das war durchaus umstritten", erinnert sich Oberbürgermeister Reinhard Schwirzer. Einige hätten geglaubt, dass sich niemand für ein Römermuseum interessieren würde. Bei rund 30 000 Besuchern pro Jahr sind diese Befürchtungen ausgeräumt. Die vielen Kulturtouristen sind zudem ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor für die Geschäfte.

Inzwischen dient der Schatz auch der Stärkung regionaler Identifikation: "Das ist wie ein hervorragender Sportverein, auf den die Menschen stolz sind", stellt Oberbürgermeister Schwirzer fest. Zudem habe sich das historische Bewusstsein der Menschen verändert. Vor den Römerfunden sei Weißenburg vor allem als mittelalterliche Reichsstadt wahrgenommen worden.

"Manche haben von der "Römeritis" gesprochen, die in Weißenburg ausgebrochen sei", schmunzelt Museumsleiter Richter. Es kursierte auch das Gerücht, dass es in der Zeit nach dem Fund in der ganzen Stadt keine Spaten mehr zu kaufen gab. Hätte der Gymnasiallehrer und Hobbygärtner, der sich Interviewwünschen standhaft verweigert, anderes Gemüse statt Spargel angebaut, wäre ihm der Sensations-Fund wahrscheinlich verwehrt geblieben. "Der Garten ist vorher sicherlich hundert Mal umgegraben worden", erzählt Richter. Für den Spargelanbau habe der Boden jedoch tiefer als normal beackert werden müssen.

Die Wissenschaft rätselt noch bis heute, wer Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus die Schätze versteckt haben könnte. "Das Thema ist immer noch heiß umkämpft", berichtet Bernd Steidl, der in der Archäologischen Staatssammlung München die Römische Abteilung leitet. Einige Experten vermuten plündernde Germanen, die sich die wertvollen Gegenstände in dem Versteck sichern wollten. Plausibler klingt für Steidl aber eine andere Erklärung: Als der Limes von Germanen überrannt wurde, gingen einige Römer selbst auf Plünderzug. Dafür spreche, dass einige Alltagsgegenstände wie ein Klappsessel oder Hausrat den Tempelschätzen beigelegt waren.

 

Landshuter,Straubinger,14.Oktober 2004

Der geschmiedete Himmel

Die"Himmelsscheibe"von Nebra ist der Höhepunkt einer glanzvollen Ausstellung in Halle

Etwa 3600 Jahre ruhte sie im Erdreich, bevor sie unverhofft wieder ans Licht kam - und ihren kometenhaften Aufstieg zu einer der sensationellsten archäologischen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts erlebte. Denn die Bronzescheibe mit der grünen Patina und den Goldblechauflagen, die Sonne, Mond und Sterne darstellen, ist die älteste Wiedergabe des Weltalls. Von den Raubgräbern, die sie 1999 auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt aufstöberten, wurde sie anfangs für den Deckel eines alten Eimers gehalten. Nun ist die "Himmelsscheibe" der Höhepunkt einer glanzvollen Ausstellung in Halle. Die im Landesmuseum für Vorgeschichte aufgebotenen 1600 Stücke von 68 Leihgebern aus 18 Ländern beleuchten die Kultur der frühen Bronzezeit. Im Blickpunkt stehen die religiösen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Gebiet des heutigen Mitteldeutschlands und ihre europaweiten Verbindungen.

In der packend inszenierten Schau kommt das Beste zuerst. Im Lichthof ist eine große Barke vor Anker gegangen. Sie trägt die Vitrine mit den spektakulärsten Schaustücken. Links die Himmelsscheibe, rechts der erstmals in Deutschland im Original ausgestellte Sonnenwagen von Trundholm (14.Jh.v.Chr.): Auf sechs Rädern stehen ein Bronzepferd und die von ihm gezogene Scheibe. Das Ensemble zeugt vom Glauben an die Tag- und Nachtreise der Sonne. Zwischen Himmelsscheibe und Sonnenwagen sind als dritte Hauptattraktion die 100 Goldblechschiffchen von Nors ( um 1400 v. Chr.) unterwegs. Die Himmelsscheibe von Nebra ist mit 32 Zentimetern Durchmesser erstaunlich groß. Sie wurde in mehreren Phasen um kosmische Elemente erweitert. Das Endergebnis weist die Sonne und eine Mondsichel auf. Zwischen ihnen funkeln 25 Sterne sowie das Siebengestirn der Plejaden. Das am rechten Rand erhaltene Element, dem am linken Rand ein heute fehlendes entsprach, wird als Horizontbogen gedeutet, der den Sonnenlauf zwischen Frühling und Herbst nachvollzieht. Der Bogen in der unteren Zone wird als Himmelsbarke zum Transport der Gestirne interpretiert. Wahrscheinlich stellten sich die Menschen der Bronzezeit den Sternenhimmel als Kuppel vor, der die scheibenförmige Erde überwölbt.

Die um die Himmelsscheibe herum präsentierten Exponate erzählen von den Mythen und Glaubensvorstellungen der Bronzezeit. Offenbar standen die Gestirne hoch im Kurs - und die Sonne bildete den Mittelpunkt der Kulte. Darauf weisen neben Sonnenwagen und Goldschiffchen goldene, punzierte Scheiben hin, die etwa in Irland, England und Niedersachsen gefunden wurden.

Die Himmelsscheibe ist Teil eines Hortfundes, zu dem zwei erlesene Schwerter, Beile, Meißel und Armspiralen gehören. Damals wurden überall in Europa Horte deponiert. Sie waren für die Götter bestimmt, die sich die Opfergemeinschaft gewogen machen wollte. Neben einmaligen Stücken wie der Keule von Thale (2000-1600 v. Chr.) kommen auch Massenniederlegungen wie die 250 Sicheln vor, die in der Schau wie Bumerangs aus einem Kessel zu fliegen scheinen.

Veit-Mario Thiede

Bis 24.4.2005 im Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale). Der im Theiss-Verlag erschienene Katalog wartet mit attraktiv inszenierten Fotos und spannenden Texten auf.

zurück