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Landshuter, Straubinger, 22.April 2004: Politische Leserbriefe

Schon 40-Jährige haben keine Chance mehr

Graue IT-Panther erhalten die A...karte. So die Überschrift zu einem Kommentar vor circa zwei Jahren in einer Fachzeitung der IT-Branche. Und weiter: Sie erhalten keine neuen Projekte mehr, keine Weiterbildung und werden so lange gemobbt, bis sie gehen. Dem Rest wird gekündigt, eine Abfindung gezahlt und in die Sozialgemeinschaft entsorgt. Entsorgt deshalb, weil 40-Jährige - sie haben richtig gelesen - am Arbeitsmarkt oft keine Chance mehr haben.

Vor drei Wochen stand im Wirtschaftsteil dieser Zeitung wieder ein Artikel von solcher Dreistigkeit. Ein IT-Unternehmen monierte trotz permanenter Stellenausschreibung einen eklatanten Personalmangel, die Bewerberzahl sei gering und unqualifiziert. Solche Aussagen treiben einem die Zornesröte ins Gesicht. Hatte die Firma doch einfach vergessen mitzuteilen, dass Mitarbeiter gesucht werden, die sich in einem jungen dynamischen Team wohlfühlen. Gut ausgebildete 25-jährige Arbeitssuchende sind aber rar. Und offensichtlich werden die in anderen Branchen auch gern gesucht. Erfahrene Arbeitssuchende bewerben sich hier nicht mehr. Waren es vor 25 Jahren die 55-Jährigen, vor 15 Jahren die 50-Jährigen, so sind es nun die 40Jährigen, denen man Flexibilität, Dynamik und Kompetenz abspricht.

Gewisse untemehmerische Kreise schieben hier einfach den Schwarzen Peter der anderen Seite zu. Vor zwei Jahren hatte ich zu diesem Thema bereits einen Leserbrief verfasst. Er wurde nicht gebracht und ich dachte mir damals, dass es wohl im Augenblick nicht politisch korrekt ist, Unternehmen zu kritisieren. Drohen diese doch gleich mit Arbeitsplatzabbau oder deren Verlagerung. Medien aller Couleur dreschen heute hemmungslos auf Arbeitslose, Gewerkschaften, Kirchen, sozial Schwache ein oder attackieren diese mit zugespitzten Fallbeispielen des Missbrauchs. Kaum ein Wort, wie international agierende Unternehmen Milliardensummen einsparen oder verschieben, Subventionen einstreichen und Regierungen und Behörden ausspielen. Nur die Gipfel-Aktivitäten kommen ab und zu in die Medien.

Und nun das Dilemma: Wer der Globalisierung huldigt und es gleichzeitig versäumt, internationale soziale Mindeststandards zu setzen, sieht sich solange dem freien Fall ausgesetzt, bis sich die Standards angeglichen haben. Kostensenkungen bringen nur dem eine kurze Atempause, der dies am schnellsten umsetzt. Denkt man sich dies ungebremst zu Ende, dann kann einem Angst und Bange werden: ein globales Dorf mit einer Wissens- und Kapitalkaste und einem Heer von Tagelöhnern. Leider wird hier eine deutsche Besonderheit preisgegeben und zerstört, der uns Wohlstand und sozialen Frieden brachte: der bodenständische Mittelstand. Albert Sinzger Augustenstraße 13 93049 Regensburg