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Bipolare Störungen: Hirnzellen zeigen Wirkung von Lithium im Labor an

Freitag, 30. Oktober 2015

La Jolla – Die Gehirnzellen von Patienten mit bipolarer Störung, einer durch starke Stimmungsschwankungen gekennzeichneten Erkrankung, reagieren empfindlicher auf Reize als die Gehirnzellen anderer Menschen. Diese Hyperexzitabilität konnte in Stammzellexperimenten in Nature (2015; doi: 10.1038/nature15526) durch die Gabe von Lithium vermindert werden.

Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt. Das geflügelte Wort aus Goethes Egmont beschreibt die Gefühlslage von Patienten mit bipolarer Störung, bei denen sich manische und depressive Phasen in fataler Weise abwechseln. Unbehandelt nehmen sich bis zu 15 Prozent der Patienten das Leben. Die Behandlung mit Lithium kann dies häufig verhindern, doch das Standardmedikament wirkt nicht bei allen Patienten. Die Gründe sind nicht bekannt, wie auch die Ursache der bipolaren Störung kaum erforscht ist. Sie konnte auch kaum an lebenden Zellen erforscht werden, da sich eine Hirnbiopsie aus ethischen Gründen verbietet. Die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Haut ist dagegen unproblematisch.

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Ein Team um Rusty Gage vom Salk Institute in La Jolla hat aus den Hautproben von sechs Patienten und vier gesunden Kontrollen die Fibroblasten isoliert und sie im Labor mit Hilfe von rekombinanten Viren in sogenannte „induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS) verwandelt. Diese Zellen wurden danach in Nervenzellen des Hippocampus differenziert. In dieser Hirnregion wird die Entstehung der bipolaren Störung vermutet, seit frühere Studien dort eine verminderte Zahl von Neuronen entdeckt haben. Die von Gage im Labor durchgeführten Experimente zeigen, dass die Hirnzellen aller sechs Patienten auf eine äußere Reizung hin eine vermehrte elektrische Aktivität zeigen. Weitere Untersuchungen deuten auf Störungen in den Mitochondrien als mögliche Ursache hin.

Bei drei der sechs Patienten mit bipolarer Störung wirkten Lithiumpräparate. Dies ließ sich auch im Laborexperiment reproduzieren. Die Hyperexzitabilität wurde vermindert, wenn die Forscher den Nährlösungen der Zellkulturen Lithium zugesetzt hatten. Bei den Nervenzellen der Lithium-resistenten Patienten wurde diese Wirkung nicht beobachtet. Warum die Zellen der Patienten unterschiedlich reagierten, konnten die Forscher bisher nicht ermitteln. Die aus den Stammzellen generierten Neurone dürften allerdings eine gute Plattform für die Erforschung der Lithiumwirkung sein. Sie könnten auch genutzt werden, um neue Wirkstoffe zu untersuchen.

Interessant ist auch die Frage, warum die Patienten so starke Stimmungsschwankungen zeigen. Gage vermutet, dass die Hyperexzitabilität nach einiger Zeit die Energie­ressourcen der Zellen aufbraucht. Die Zellen könnten dann für eine gewisse Zeit einen Ruhezustand versinken, der sich klinisch als depressive Episode äußert. Dies ist derzeit allerdings nur eine Vermutung, die durch weitere Experimente geprüft werden müsste. © rme/aerzteblatt.de

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